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Phönix aus der Asche

(Brand im Hotel Hamburger Hof im Jahr 1882)

Wir schreiben das Jahr 1882. Warnemünde zählt etwa 360 Häuser, Stephan Jantzen ist Lotsenkommandeur, der Strandkorb wird gerade durch Korbmacher W. Bartelmann erfunden und schon viele Sommergäste, es sind so zwischen 4.000 und 5.000, nutzen die Gelegenheit in den zahlreichen, seit etwa 30 Jahren entstandenen Hotels, Logierhäusern und Pensionen abzusteigen und sich zu erholen. Die Straßen tragen noch keine Namen, außer der Vörder- und Achterreeg und Warnemünde ist in Quartiere eingeteilt.

Auch Korvetten-Kapitän a. D. Tesdorpf aus Neustrelitz logiert mit seiner Gemahlin im Hotel „Hamburger Hof“ (V. Quartier Nr. 60), welches später einmal die Namen „Hotel Phönix“, „Hotel Heldt“ und noch später „Hotel Susemihl“ tragen wird (heute: Heinrich-Heine-Straße 1). Beide haben das große Erkerzimmer im 4. Stock bezogen und der Balkon bietet ihnen eine schöne Aussicht auf den Kurpark und die spätere Bismarkstraße sowie auf die gegenüberliegenden parkähnlichen Reste des alten Friedhofes. Seit nunmehr acht Jahren finden hier keine Beisetzungen mehr statt und an der Rückseite des Hotels Hübner wandelt sich ganz langsam der ehemalige Friedhof in einen kleinen Park.

Hotel Heldt

Hotel Heldt
(Kreis: Erkerzimmer - Tesdorpfs’s Hotelzimmer)
Unten links auf dem Foto sind noch Teile bzw. die Umzäunung des alten Friedhofs zu erkennen

Tesdorpf’s Hotelzimmer wird zu beiden Seiten von Dachkammern, es müssen etwa 8 sein,  begrenzt, die allesamt aus rohen Holzverschlägen gezimmert waren. Wie üblich zu dieser Zeit, bestehen die steilen Treppen bis hinauf in den 4. Stock aus Holz und die Stufen sind mit Kokosmatten belegt. Außerdem sind die Treppen sehr schmal, so dass mal gerade 2 Personen nebeneinander Platz haben. Das Gebäude ist mit Dachpappe gedeckt und oberhalb des Erkerzimmers befindet sich eine Plattform, zu der eine breite hölzerne Treppe führt. Im unteren Bereich des Gebäudes finden wir lang gezogene hölzerne Veranden, besonders im Bereich der späteren Hermannstraße.

Tesdorpf’s waren Samstag angereist, hatten Sonntag lange geschlafen und sich einen ersten Eindruck über die Annehmlichkeiten im Ort verschafft, waren auf der Mole und haben den ein- und auslaufenden Segel- und Dampfschiffen zugesehen. Tesdorpf war in früheren Jahren Marineoffizier, aber dieses Schauspiel beeindruckte ihn noch immer. Sonntagabend hatten sie bei herrlichem Wetter an einer Stromfahrt mit einer Warnemünder Jolle teilgenommen. Am Montag, es ist der 24. Juli, sind sie am Nachmittag im Reunionslokal bei B. Heintz, dem späteren Promenadenhotel,  zum Kaffee. Gegen Abend schließlich begeben sie sich gemeinsam mit anderen Sommergästen zum Pavillon (heute Hotel am Leuchtturm) und lauschen den Klängen der Rostocker Kurkapelle. Gegen 23 Uhr kehren sie in ihr Hotel zurück und begeben sich zur Ruhe.

Hotel Susemiehl

Hotel Susemihl
 

Gegen 1 Uhr werden sie unsanft durch den Feuerruf des Wirtes und durch das Klopfen an die Zimmertür geweckt. Als Tesdorpf die Zimmertür öffnet, schlägt ihm ein dichter undurchdringlicher Qualm entgegen. Mit einem Sprung zur Treppe überzeugt er sich, dass diese noch frei ist und stellt gleichzeitig fest, dass der Brandherd sich in unmittelbarer Nähe, nämlich in einer der Dachkammern befindet. Er stürzt ins Zimmer zurück und ist seiner Gattin beim Überwerfen der Kleidung behilflich, bringt sie danach in die sicheren unteren Räume. Sogleich eilt er wieder in den 4. Stock zurück und versucht, gemeinsam mit dem Wirt zum Brandherd vorzudringen. Flammen schlagen ihnen entgegen und der Qualm ist unerträglich. Sie müssen feststellen, dass unter diesen Bedingungen der Brand nicht zu bekämpfen ist. Tesdorpf wird sehr nachdenklich, verdanken seine Frau und er der Geistesgegenwart und dem schnellen Handeln des Wirtes ihr Leben. Der Wirt und er beauftragen das Dienstpersonal, den 4. Stock zu räumen. Er selbst bahnt sich mit einem Licht in der Hand nochmals den Weg durch den Qualm bis hin zum Zimmer, um noch einige Wertgegenstände zu retten, alles andere muss er zurücklassen. Nachdem er seine Wertgegenstände in Sicherheit gebracht und sich nach seiner Frau umgesehen hatte, geht er noch einmal in den 4. Stock zurück, um sich zu überzeugen, dass auch wirklich kein Mensch mehr dort oben ist. Dabei stellt er fest, dass die oberen Treppenstufen bereits Feuer gefangen haben. Das Ganze, vom unsanften Wecken bis zu diesem Moment dauerte ganze 8 Minuten stellt er beim Blick auf seine Taschenuhr fest, die er noch aus dem Zimmer retten konnte.

Hotel Heldt - Hermannstraße

Hotel Heldt (Blick in die Hermannstraße)
Die Veranden im unteren Bereich des Hotels

Gemeinsam mit dem Wirt versucht er nun, das Räumen der unteren Etagen in die Wege zu leiten. An Ordnung ist dabei nicht zu denken, denn in allen unteren Etagen wird damit begonnen, Mobiliar und Reisegegenstände, das heißt Schränke, schwere Kisten und Koffer nicht zu den Fenstern hinaus, sondern die schmalen Treppen hinab zu transportieren bzw. zu werfen. Auf Frauen und Kinder wird dabei wenig oder gar nicht Rücksicht genommen.

Es grenzt fast an ein Wunder, dass gegen 2.15 Uhr alle 120 Bewohner des Hotels und auch deren Reiseeffekten in Sicherheit gebracht waren.

Eben zu dieser Zeit trifft auch die Warnemünder Spritze mit einigen wagemutigen Männern, ausgerüstet mit einer schweren hölzernen Leiter, einigen Äxten und einer Planke an der Brandstätte ein. Das sind denn auch die einzigen Rettungsgeräte, die zur Verfügung stehen. Sprungtücher, Rettungssäcke, Steigleitern oder auch selbst Leinen sind nicht vorhanden. Diese Spritze allein ist schon ein Bild einer unbeschreiblichen und unverantwortlichen Sorglosigkeit.
Es soll aber noch schlimmer kommen. Die Spritze hat kein Wasser. Keiner der umherstehenden Zuschauer, Hotelgäste und Einwohner ist bereit, eine Eimerkette zu bilden. Die Entfernung bis zum nächsten Brunnen beim Hotel Hübner ist auch gar nicht soweit.  Aber alle wollen zuschauen und sich am prächtigen Feuer erfreuen, welches Warnemünde seit nunmehr 50 Jahren nicht mehr gehabt haben soll, wie sich einige ältere Warnemünder erinnern.

Hotel Heldt - Bismarckstraße

Hotel Heldt (Blick in die Bismarckstraße)
Auch hier Veranden im unteren Bereich des Hotels

Eine weitere Spritze täte gut, stellt Tesdorpf fest. Da Warnemünde aber zum Feuerbezirk Rostock gehört und das Telegraphenamt am Strom 60 keinen Nachtdienst hat, schaffen es auch Stephan Jantzen und der städtische Vogt Gustav Brockelmann, die in der Zwischenzeit an der Brandstätte eintrafen, nicht, eine Depesche nach Rostock abzusetzen. Das wird erst wieder nach 7.00 Uhr morgens möglich sein.

Ungeachtet aller Probleme an der Brandstätte und in richtiger Einschätzung der Situation, entscheidet Wilhelm Hübner sofort nach Ausbruch des Feuers, eine Droschke nach Rostock zu schicken, um weitere Spritzen anzufordern. Die erste Spritze aus Rostock trifft dann auch gegen 4.30 Uhr in Warnemünde ein, aber das Gebäude ist zu diesem Zeitpunkt schon bis auf die Grundmauern heruntergebrannt.

Nebenher sind von den aus dem Hotel geretteten Möbel und geborgenen Reiseeffekten einige abhanden gekommen, da keinerlei Aufsicht eingeteilt wurde.

Als glücklicher Umstand war zu verzeichnen, dass der Wind in dieser Nacht aus südlicher Richtung wehte und so das Flammenmeer in Richtung See getrieben wurde. Später legte sich der Wind ganz, sonst wäre wohl ein Teil von Warnemünde zerstört worden.

Alles in allem, so stellt Tesdorpf später fest, gab es im Ort bezüglich Feuerlösch- und Rettungsgeräte eine unglaubliche Sorglosigkeit und er konnte das wohl sachgerecht einschätzen, denn er hatte auf seinen Reisen das Feuerlöschwesen zahlreicher Länder kennen gelernt. Er schreibt später „… hätte die elende Treppe zuerst Feuer gefangen, hätten die Frauen und Kinder der 3 Etagen gleich die Flammen im Innern bemerkt, dann würde auch Warnemünde eine jener Theater-Katastrophen aufzuweisen haben, da die Rettung aus Panik aus den oberen Etagen nie zu bewerkstelligen gewesen wäre unter solchen Umständen.“ Er forderte die Einführung einer entsprechenden Bauordnung, nach der mehrstöckige Gebäude nur feuersichere, breite Treppen, bzw. eiserne oder steinerne Hintertreppen haben sollten.

Gesundschuh

Das Haus heute

In der Rostocker Zeitung war am folgenden Tag zu lesen, dass „…die Glasveranda, welche sich links des Gebäudes erstreckt, nur wenig Brandspuren zeigt und auch der dem alten Friedhof zugekehrte Seitenflügel, dessen Paterreräume zu Verkaufsläden eingerichtet sind, war vom Brand verschont geblieben.“ Die Wasserschäden, so ist in der Zeitung zu lesen, waren nicht unbeträchtlich.

Der Brand in dieser Nacht ist wohl auch einer der Gründe, sieben Jahre später die freiwillige Feuerwehr in Warnemünde zu gründen.

 

Nachzutragen bleibt, dass das  Haus als Hotel Phönix bzw. als Phönix-Bad im Jahr 1884 wieder aufgebaut wird. Das Restaurant in der unteren Etage trug später auch den Namen „Tuskulum“ und war im Volksmund als „De rode Teppich“ bekannt.

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